Chatbots im Unterricht - beispielhafte Einsatzszenarien

Bild: KI-generiert mit Stable Diffusion XL

Welche Potenziale bieten sich und was gilt es zu beachten, wenn wir Chatbots in unseren Unterricht integrieren?

Verortung

Chatbots in ihrer ursprünglichen Form sind sprachbasierte Schnittstellen mit Websites und anderen digitalen Formaten, die auf festgelegten Regeln und Entscheidungswegen beruhen. Mittlerweile überwiegen Chatbots, die unsere gängigste Form der Interaktion mit KI (Künstlicher Intelligenz) bzw. LLM (Large Language Modells) darstellen. Diese stehen auch für den Einsatz im Fokus dieses Artikels. Hierbei lohnt sich ein Blick auf die derzeit größten Chatbots im Netz. Neben ChatGPT gibt es Copilot und Le Chat, die alle über eine Anmeldung grundsätzlich kostenlos zugänglich sind, aber Daten der Nutzer:innen erheben. Für den Einsatz im Unterricht sind daneben noch fobizz.de und schulKI.de die bisher größten Anbieter, die als Bezahlmodelle Lehrkräften einen sichereren und anpassbaren Zugang zu Large Language Modells für ihre Klasse bieten und sie darüber hinaus in der Unterrichtsvorbereitung und Kontrolle/Beurteilung von Schüler:innenergebnissen unterstützen.

Recherche

Laut einer Umfrage der Plattform Gostudent.org im Juni 2024 benutzen bereits 72% der Schüler:innen in und für die Schule KI – unabhängig davon, ob das von ihren Lehrkräften so vorgesehen ist. Ein Großteil davon entfällt auf die Recherche von Informationen. Wenn man diese Zahl nicht einfach ignorieren will, erscheint es sinnvoll, das Recherchieren mithilfe von Large Language Modells im Unterricht zu thematisieren und die Schüler:innen anzuleiten, die Ergebnisse kritisch zu prüfen. Die größten Herausforderungen liegen darin, dass die Trainingsdaten der meisten LLMs nicht einsehbar sind und eine Quellenprüfung im klassischen Sinne nicht stattfinden kann. Neben Copilot kann man mittlerweile auch in ChatGPT die Seiten, auf deren Grundlage die KI ihre Antwort generiert, anzeigen lassen. Darüber hinaus kann es dazu kommen, dass die KI „halluziniert“, d.h. sie generiert falsche Informationen. Gerade weil Schüler:innen häufig von den Lehrkräften ungeplant KI nutzen und sich auf die Ergebnisse verlassen, empfiehlt sich die Reflexion der Recherchemöglichkeiten. Zum Beispiel kann man verschiedene Gruppen zum gleichen Thema über verschiedene Wege (z.B. Lehrbuch, Netzrecherche, KI) recherchieren lassen und die Ergebnisse vergleichen lassen, um das Verständnis für die Vor- und Nachteile der jeweiligen Medien bei den Schüler:innen zu schärfen.
In diesem reflektierten Rahmen bildet vor allem die angepassten Chatbots (über fobizz.com) das Potenzial, Lernbegleiter und Unterstützer besonders im individualisierten Unterricht zu sein. Hier können Lehrkräfte im Vorfeld einstellen, auf welche Quellen der Chatbot zugreifen soll. Dies können sowohl Websites als auch hochgeladene Dokumente sein. Nachteil ist hier, dass die zugrundeliegenden Dateien noch sehr begrenzt in ihrem Umfang sein müssen.

Differenzierung/Abwechslung Leseverständnis

Chatbots können eine schnelle Unterstützung in der Differenzierung sein, wenn es um die Lesefähigkeit der Schüler:innen geht. Sie können aus längeren und anspruchsvollen Texten einfachere Varianten erstellen. Sie können aber auch als weiterer Zugang zu Texten fungieren, indem der Text eingegeben wird und die Schüler:innen sich über den Chat und damit über Fragen die Inhalte des Textes erschließen. Der bekannteste freie Anbieter hierfür ist die Seite chatpdf.com, aber auch fobizz.com bietet einen PDF-Chat an. Es eignen sich besonders konkrete Fragen, die Schlüsselworte des Textes nutzen, und Folgefragen sind eine erprobte Methode, um evtl. fehlende Informationen herausfinden. Deine Schüler:innen können über das Vergleichen der Antworten auf ihre Fragen reflektieren, in welchem Maße der Chat mit einem Text sich für das Erschließen seiner Inhalte eignet. Dabei wird deutlich, dass der Chat mit einer verständlicheren Sprache helfen kann und sich für spezifische individuelle Nachfragen eignet, aber kein vollständiges Erarbeiten eines Themas zuverlässig leisten kann. Daher ersetzt diese Methode das Üben des Leseverständnisses nicht, kann aber in Phasen der Wiederholung oder Erarbeitung von Arbeitsprodukten wie Präsentationen, Podcastfolgen o.Ä. eine zeitsparendere Variante darstellen.

Feedbacktool für Texte von Schüler:innen

Die auf Schulen zugeschnittenen Plattformen fobizz.com und schuKI.de werben besonders damit, dass sie Chatbots zur Verfügung stellen, welche die Lehrkräfte in der Rückmeldung zu Schüler:innentexten unterstützen. Dies können (in abgespeckter Form) alle Chatbots und sie können auch von Schüler:innen selbst genutzt werden. Hier müssen sie darin geschult werden, welche Prompts geeignet sind. Diese können vorformuliert bereitgestellt werden oder du erarbeitest mit deinen Schüler:innen, welche Vorgaben die KI braucht, um ein möglichst aufschlussreiches und zutreffendes Feedback zu geben. Dies lässt sich sehr gut mit der Besprechung der Kriterien an den zu schreibenden Text verbinden. Darüber hinaus solltest du deine Schüler:innen darauf hinweisen, dass die Ergebnisse sich verbessern,
– wenn sie der KI eine Rolle zuweisen: „Du bist eine engagierte Lehrkraft einer 10.Klasse
– ihr genaue Anweisungen zum Feedback geben: „Überprüfe folgenden Text auf die Umsetzung folgender Kriterien: … Formuliere im Anschluss Verbesserungshinweise
– ggf. Anweisungen zur Verbesserung des eigegebenen Textes geben: „Verbessere zuerst alle Fehler in der Rechtschreibung und Grammatik. Strukturiere danach die Textteile in folgender Reihenfolge:  

Das Feedback durch die KI kann das Besprechen von Schüler:innentexten im Unterricht und das Feedback durch Lehrkräfte nicht ersetzen, aber ergänzen. Damit es für die Schüler:innen möglichst gewinnbringend ist, empfehle ich immer wieder gemeinsame Reflexionsrunden, in denen du mit deinen Schüler:innen zusammen die Rückmeldung durch die KI kritisch prüfst und auf Abweichungen zu deiner Einschätzung aufmerksam machst.

Übungspartner für Debatten und argumentierende Texte

Chatbots können deine Schüler:innen beim Debattieren und Verfassen erörternder Text unterstützen. Neben der Suche nach geeigneten Argumenten für ein bestimmtes Thema oder dem Feedback zur Sprache und/oder argumentativen Struktur eines geschriebenen Textes kann der Chatbot auch zum Trainingspartner werden. Ein Prompt dazu kann zum Beispiel so lauten: „Übe mit mir das Debattieren der Frage X, indem du mir Feedback zu meinen Argumenten gibst und passende Gegenargumente nennst.“

Partner im Fremdsprachenunterricht

Besonders für den Fremdsprachenunterricht ist die Möglichkeit interessant, Chatbots eine Rolle zuzuweisen, in der sie nur noch in der Fremdsprache antworten und somit eine sinnvolle Ergänzung zum Üben fremdsprachlicher Konversationen oder eine andere Quelle für landeskundliche Themen werden. Dies geht in allen Chatbots mit einer Rollenzuweisung, die zum Beispiel lauten kann: „Du bist ein 15-jähriger Jugendlicher, der in Lyon lebt und auf alle Fragen nur auf Französisch antwortet. Weise auf sprachliche Fehler in meinen Texten hin und erkläre mir, was ich falsch gemacht habe.“ Die Plattformen schuKI.de und fobizz.com bieten außerdem die Möglichkeit, dass du als Lehrkraft einen Chatbot mit einer solchen Rollenzuweisung erstellst und deinen Schüler:innen zur Verfügung stellst, ohne dass sie andere Konversationsmöglichkeiten mit ihm haben und damit ggf. fokussierter bei der von dir angedachten Aufgabe bleiben. Außerdem haben alle die Option, dass die Antworten vorgelesen werden, sodass auch das Hörverstehen und die Verbindung von Schrift und Sprache geübt werden kann.

Bildgenerierung

Das Generieren von Bildern (und Videos) wird zunehmend in die Chatbot-Konversationen integriert. Je nach Chatbot kann man nach dem generierten Bild durch weitere Befehle das Ergebnis verändern und anpassen. Das kannst du zur Veranschaulichung in vielen verschiedenen Fachunterrichten einsetzen, sei es als Rückkopplung für schriftliche Bildbeschreibungen im Kunst- und Deutschunterricht oder als Visualisierung komplexer Themen im naturwissenschaftlichen oder gesellschaftswissenschaftlichen Unterricht. Deine Schüler:innen werden beim Versuch, eine KI ein Bild des Photosynthese-Prozesses erstellen zu lassen, schnell merken, ob sie diesen Prozess richtig beschreiben können und erkennen können, ob das Ergebnis der KI faktisch richtig ist. Außerdem bietet es sich an, dass deine Schüler:innen den Chat dafür nutzen, ihre Auseinandersetzung mit fiktiven Texten (z.B. mithilfe von Figurencharakterisierungen) oder ihre eigenen Texte illustrieren zu lassen. Ein mithilfe der KI selbst generiertes Bild kann der Ausgangspunkt oder das Produkt einer Auseinandersetzung mit einem Thema sein. So hat fridaysforfuture in Hamburg mit KI-generierten Bildern auf die Auswirkungen des Klimawandels aufmerksam gemacht und mit Zukunftsvisionen der Stadt Impulse für die thematische Auseinandersetzung geliefert. Nicht zuletzt können sich Schüler:innen mithilfe von bildgenerierenden Chatbots eine visuelle Aufbereitung der Lerninhalte generieren und wir im Unterricht multisensorisches Lernen und insbesondere visuelle Lerntypen unterstützen.

Die Arbeitsweise von Chatbots verstehen

Je mehr wir Chatbots und KI in unseren Unterricht integrieren, umso wichtiger ist es, dass wir auch vermitteln, wie diese eigentlich funktionieren und welche Auswirkungen dies auf ihre Antworten hat. Schüler:innen können ca. ab der 6. Klasse mit Scratch selbst einen Chatbot programmieren, der mit linearen Entscheidungen arbeitet und ohne KI im Hintergrund auskommt. Eine Anleitung dazu findest du hier. Für das Verständnis von Chatbots mit KI ist zentral, mit welchen Daten die KI trainiert wurde, und die grundlegende Arbeitsweise von KI, die immer das schreibt, was sich aus den Trainingsdaten als wahrscheinlichstes nächstes Wort ergibt. Auch hier ist der nachhaltigste Weg zum Verständnis eigene Erfahrungen im Trainieren der KI. Dies lässt sich derzeit nur mit der Unterstützung externer Partner umsetzen, so wie es die Stadtteilschule am Hafen in Kooperation mit der Kunsthalle in Hamburg und der assono GmbH getan hat. Hier haben Schüler:innen der 10. Klassen Chatbots erstellt und trainiert, die während der Ausstellung „femme fatale“ in die App der Kunsthalle integriert waren und es den Nutzer:innen ermöglichten, mit den in den Werken abgebildeten Frauen zu chatten. Da die Schüler:innen die Trainingsdaten nur auf Grundlage ihrer Auseinandersetzung mit den Werken erstellet haben, bekamen sie einen bleibenden Eindruck, wie stark die Chatbots von dieser Datengrundlage geprägt sind und wie sie mit ihr umgehen.